Vom Moin (in Norddeutschland) übers Grüßgott (in Süddeutschland), Grüessech (in Bern), Grüezi (in Zürich) bis zum Servus (in Österreich), die deutsche Sprache hat viele Varianten.
Das, was man üblicherweise in Abgrenzung zum Hochdeutschen (der schriftdeutschen Standardsprache) Schwiizerdüütsch nennt, ist ein Oberbegriff für Deutschschweizer Dialekte, wie etwa Berndeutsch, Baseldeutsch oder Zürichdeutsch, die sich deutlich voneinander unterscheiden. So heißt das Apfelkerngehäuse je nach Gegend Gröibschi, Gigetschi, Gürbschi, Güegi, Bätzi, Bitzgi, Bütschgi, Butze, Bixi, Üürbsi und der Schluckauf Schluckser, Schluchzia, Hickser, Higgis, Hitzgi, Hetscher, Höschger, Schnackler, Gluggsi, Glutzger.
Der einzigartige Beginn
Des Schweizers Mühe mit Hochdeutsch hat seinen Ursprung in der sprachgeschichtlichen Entwicklung vor 600 Jahren. Im 15. Jh. wandelt sich das mittelalterliche Mittelhochdeutsch. Neue Handelswege des Frühkapitalismus und der 1445 durch Gutenberg erfundene Buchdruck begünstigen die Entstehung und Ausbreitung eines überregionalen Neuhochdeutsch. Luthers Bibelübersetzung von 1522 gilt als eines der ersten neuhochdeutschen Bücher.
Hörbar wird der Wandel etwa bei den sogenannten Lautverschiebungen. Aus den einfachen Vokalen in den mittelhochdeutschen Worten „min hus“ werden im Neuhochdeutsch Doppelvokale: „mein Haus“. In Mittel- und Norddeutschland wird das Neuhochdeutsch bis gegen 1700 nicht nur zur neuen Schriftsprache, es entwickelt sich auch ein mündliches Hochdeutsch, das die lokalen Dialekte überlagert. Man nennt dieses von den meisten Deutschen gesprochene, überregionale Hochdeutsch „Standardsprache“.
Der süddeutsche Raum und die Deutschschweiz machen die Lautverschiebungen zum Neuhochdeutsch nicht mit. Es entsteht keine überregionale mündliche Standardsprache. Bis heute verständigen sich die Schweizer mündlich ausschließlich in ihren vielgestaltigen Dialekten, die noch den Lautstand des mittelalterlichen Deutsch bewahrt haben. Hochdeutsch ist deshalb in der Schweiz eine halbe Fremdsprache, die vor allem schriftlich verwendet wird.
Gruppierung der schweizerdeutschen Dialekte
Die vielen verschiedenen Dialekte in der Schweiz lassen sich anhand ihrer Merkmale den diversen alemannischen Dialekten zuordnen.

Niederalemannisch
Zum niederalemannischen Dialekt gehört in der Schweiz das Baseldeutsch. Niederalemannisch definiert sich durch ein k statt des hochalemannischen ch. Die Basler sagen beispielsweise Kind statt Chind. Niederalemannische findet man auch ausserhalb der Schweiz, nämlich in Südbaden und im Elsass.
Mittelalemannisch
Mittelalemannische Dialekte, auch Bodenseealemannisch genannt, werden in der Deutschschweiz keine gesprochen, denn diese haben sich nur nördlich des Bodensees etabliert. Die grösste Ähnlichkeit mit Mittelalemannisch haben die Schweizer Dialekte aus der Nordostschweiz und des Churer Rheintals. Gemäss schweizerischer Dialektologie werden diese aber zum Hochalemannischen gezählt.
Hochalemannisch
Zum Hochalemannischen gehören die Dialekte des äussersten Südwestens Baden-Württembergs und des elsässischen Sundgaus. Und der grösste Teil der Schweizer Dialekte. Die meisten hochalemannischen Dialekte werden denn auch in der Schweiz gesprochen.
Höchstalemannisch

Auch das Höchstalemannisch ist in der Schweiz stark vertreten. Die Dialekte des Wallis, des Berner Oberlands und des Schwarzenburgerlandes, des freiburgischen Senselands und von Jaun, Teile der Innerschweiz (Uri, Unterwalden und mehrheitlich Schwyz) und des Kantons Glarus gehören zum Höchstalemannischen. Diese Dialekte zeichnen sich durch Wörter wie schnyyä statt schneie, nüü statt neu, buuwe statt boue/baue aus.
Starker Einfluss der französischen Sprache
Eine Besonderheit des Schweizerdeutschen ist zudem, sich viele Wörter aus dem Französischen darin finden. Diese finden ihren Ursprung in den gehobenen sozialen Schichten einiger Städte wie Bern und Basel, die Französisch „präferierten“ und dieses auch im Alltag „parlierten“. Viele französische Lehnwörter erinnern daran: Parterre, Trottoir, Velo, Bébé, Merci,Coiffeur, Portemonnait.
Mundartwelle in den 80er Jahren
Einen regelrechten Popularitätsschub erhielt Schweizerdeutsch innerhalb der Schweiz selbst in den 80er Jahren, als private Radiostationen, die sich in den 1980er-Jahren etablierten, plötzlich Schweizerdeutsch am Mikrofon sprachen anstatt dem gewohnten Hochdeutsch. Dank diesen Radiosendern schwappte die Mundartwelle dann auf die Bildschirme der staatlichen Sendeanstalten über. So waren je länger je mehr auch auf nationaler Ebene die verschiedensten regionalen Dialekte zu hören.
Sehr prägend dürfte parallel dazu auch der Erfolg von in Mundart singenden Musikern gewesen sein. Die berndeutschen Lieder Mani Matters (I han es Zündhölzli azündt) wurden populär und mit Polo Hofer (Bin i gopfridstutz e Kiosk?) Züri West (I schänke dr mis Härz), Patent Ochsner (W.Nuss vo Bümpliz) in Berndeutsch und mit dem Trio Eugster (O läck du mir am Tschöpli), Toni Vescoli (Scho root!) und den Minstrels (Grüezi wohl, Frau Stirnimaa) in Zürichdeutsch kam die Dialektwelle dann in den 1980er-Jahren so richtig in Gang.
Neue Technologien verändern auch Schweizerdeutsch
Mit der Einführung neuer Techniken wie WhatsApp und SMS, die im eigentlichen Verwendungszweck der quasimündlichen Kommunikation dienen („geschriebene Gespräche“), drang das vorwiegend nur gesprochene Schweizerdeutsch auch in den schriftlichen Ausdruck vor und verstärkte dadurch die Mundartwelle. Mangels verbreiteter Standards bedient sich dabei jeder seiner eigenen Orthographie.
In SMS sind dabei zwecks Zeicheneinsparung häufig auch Abkürzungen und Anglizismen anzutreffen. Durch die Entwicklung der audiovisuellen Medien und durch die erhöhte Mobilität der Bevölkerung werden die Dialekte ausgehend von den städtischen Gebieten immer mehr von Ausdrücken der standarddeutschen Schriftsprache und auch des Englischen durchzogen.
Sprachen leben und wandeln sich
Wie jede lebendige Sprache wandeln sich aber – zum Leidwesen nostalgischer Sprachbewahrer – auch die Dialekte ständig. In den städtischen Zentren werden dialektale Unterschiede verwischt und vermischt – etwa zum sogenannten Oltener Bahnhofbuffet-Deutsch (die Kleinstadt Olten ist ein Verkehrsknotenpunkt am Jurasüdfuß, die „Drehscheibe der Schweiz“). Und das alte Vokabular weicht modernen hochdeutschen und auch englischen Wörtern. Jüngere Moderatoren von Unterhaltungssendungen sprechen gerne Agglo-Schweizerdeutsch, einen auf Bern-, Aargauer- und vor allem Zürichdeutsch basierenden Brei, der leicht mit einem als cool empfundenen Jugo-Akzent eingefärbt ist und durch Einlagen aus der amerikanischen Ghetto-Sprache gewürzt wird.
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